LinkedIn Ads sind ein zentrales Marketinginstrument für den B2B-Bereich. Die detaillierten Targeting-Optionen ermöglichten bislang eine sehr präzise Ansprache der Wunschzielgruppen. Doch seit einigen Jahren setzt LinkedIn, ähnlich wie andere Social-Media-Plattformen, verstärkt auf KI-basierte Targeting-Methoden: angefangen bei den mittlerweile abgeschafften Lookalike Audiences über automatische Zielgruppenerweiterungen bis hin zu den inzwischen etablierten Predictive Audiences. Diese sollen mit komplexen Algorithmen Nutzer finden, die mit einer besonders hohen Wahrscheinlichkeit konvertieren. Doch wie effektiv sind die automatisierten Zielgruppen in der Praxis wirklich – und welche Vor- und Nachteile bringen sie mit sich?
Manuelles Targeting: Präzision und Kontrolle
Beim manuellen Targeting werden Zielgruppen anhand klarer Kriterien ausgewählt, wie zum Beispiel Jobtitel, Branche, Unternehmensgröße, Standort, Berufserfahrung oder Fachkenntnisse. Das erlaubt volle Kontrolle und sorgt für eine sehr zielgerichtete Anzeigenausspielung.
Vorteile:
- Exakte Aussteuerung auf relevante Nutzer
- Geringe Streuverluste
- Volle Transparenz und Nachvollziehbarkeit
Diese Detailtiefe im manuellen Targeting ist seit jeher ein entscheidender Vorteil für Kampagnen auf LinkedIn, da sie eine Zielgruppengenauigkeit bietet, die auf anderen Social Media Plattformen kaum erreichbar ist. Dennoch bringt diese Methode auch ihre Herausforderungen mit sich:
- Zeitintensiv in Planung und Pflege
- Risiko, Zielgruppen zu eng zu fassen
- Abhängigkeit von vollständigen und aktuellen Nutzerprofilen (bspw. aktualisieren Nutzer bei einem Firmenwechsel nicht immer den Unternehmensnamen)
Das manuelle Targeting kann besonders bei sehr kleinen und spezifischen Zielgruppen durch das Feature „Zielgruppenerweiterung aktivieren“ ergänzt werden, um die Reichweite zu erhöhen. Allerdings führt dies häufig dazu, dass Anzeigen an Nutzer ausgespielt werden, die nur wenig mit dem ursprünglichen Zielgruppenprofil übereinstimmen. Dies verringert die Relevanz der Anzeigen, treibt die Kosten pro Conversion in die Höhe und erweist sich im spezialisierten B2B-Bereich meist als kontraproduktiv. Daher sollte der Einsatz dieses Features sorgfältig abgewogen und die Performance streng überwacht werden.
Predictive Audiences: KI-gestützte Targetingmaßnahme
Seit 2024 haben Predictive Audiences die Lookalike Audiences auf LinkedIn ersetzt. Während Lookalikes auf demografischer Ähnlichkeit basierten, arbeiten Predictive Audiences mit KI-gestützten Algorithmen, die neben demografischen Daten auch Nutzerverhalten und Engagement analysieren. So sollen Nutzer identifiziert werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit konvertieren.
Als Ausgangsbasis dienen dabei bestimmte Custom Audiences, zum Beispiel Personen, die mit Lead-Gen-Formularen interagiert haben, Kundenlisten oder Nutzer, die Conversions auf der Website ausgelöst haben (vorausgesetzt, das LinkedIn Insight Tag ist implementiert). Die KI sucht dann Nutzer mit ähnlichen Verhaltensmustern, um neue, potenziell relevante Zielgruppen zu erschließen. Dies soll folgende Vorteile bieten:
- Automatische Skalierung der Zielgruppe
- Erschließung neuer, bisher unbekannter Nutzer
- Weniger manueller Aufwand bei der Zielgruppenerstellung
- Dynamische Anpassung der Zielgruppen durch kontinuierliches Lernen
KI-Targeting in der Praxis: Chancen und Herausforderungen
Trotz der theoretischen Vorteile zeigen sich jedoch in der Praxis Schwächen:
- Streuverluste: Obwohl LinkedIn verspricht, dass Predictive Audiences Streuverluste reduzieren, führt die breite Ausdehnung der Zielgruppe oft zu irrelevanten Ausspielungen. Die KI neigt dazu, Nutzer mit oberflächlichen Ähnlichkeiten zu identifizieren, die aber keine echte Konvertierungsabsicht haben. Das senkt die Effizienz und kann Kampagnen teuer machen.
- Kein Zeitgewinn: Die erwartete Zeitersparnis durch Automatisierung wird häufig durch den erhöhten Kontrollaufwand wieder aufgehoben. Werbetreibende müssen die Performance und demografischen Daten ihrer Zielgruppen ständig analysieren, um irrelevante Segmente auszuschließen.
- Erhöhter Aufwand für Ausschlüsse: Um die Relevanz zu erhöhen, ist intensives Negativ-Targeting notwendig. Berufsbezeichnungen, Branchen oder Tätigkeitsbereiche müssen gezielt ausgeschlossen werden, was viel Zeit und Detailarbeit erfordert.
- Abhängigkeit von Datenqualität: Die Effektivität von Predictive Audiences hängt zudem maßgeblich von der Qualität und Quantität der zugrunde liegenden Datenbasis ab. Die technische Mindestgröße liegt bei 300 Personen, jedoch sind deutlich größere und aussagekräftigere Datensätze für optimale Ergebnisse empfehlenswert.
Es ergeben sich also in der Praxis folgende Nachteile:
- Geringere Transparenz bezüglich der zu erreichenden Nutzer im Vorfeld
- Höhere Streuverluste durch Aufnahme unrelevanter Nutzer
- Hoher Kontroll- und Optimierungsaufwand
- Abhängigkeit von der bestehenden Datenbasis
Fazit
Predictive Audiences bieten für Unternehmen mit großem Budget und der Bereitschaft zu experimentieren eine interessante Möglichkeit, neue potenzielle Kunden zu erreichen. Für Unternehmen mit begrenztem Budget und dem Anspruch auf Effizienz sind sie aktuell jedoch mit Vorsicht zu genießen. Im Vergleich zu Lookalike Audiences auf anderen Plattformen wie Meta ist das KI-Targeting auf LinkedIn noch nicht ausgereift genug und zeigt Schwächen.
Gelegentlich bessere Kennzahlen wie niedrigere CPCs oder günstigere Lead-Preise lassen sich häufig durch die starke Ausdehnung der Zielgruppe erklären und können daher oft irreführend sein – das bedeutet Quantität auf Kosten der Qualität.
Autor: Ronny Döhmer
Veröffentlichung: 01.09.2025
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